Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2025
und Forderungen der BAGSO
Die Bundespolitik spielt eine entscheidende Rolle, wenn es um die Interessen und die Lebensqualität der aktuell etwa 20 Millionen älteren Menschen in unserem Land geht.
In diesen Wahlprüfsteinen zur vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar 2025 stellt die BAGSO, gemeinsam mit ihren Mitgliedsverbänden, Fragen an diejenigen im Bundestag vertretenen Parteien, die unser Menschenbild und unser Verständnis einer solidarischen und vielfältigen Gesellschaft als Grundlage unserer Demokratie teilen. Mit den Fragen verbindet die BAGSO Forderungen zu acht Handlungsfeldern, die für ältere Menschen wichtig sind. Sie sollen den Parteien als Richtschnur für ihre Wahlprogramme dienen.
Die Wahlprüfsteine wurden unter Beteiligung der BAGSO-Fachkommissionen erarbeitet und im November 2024 von der Mitgliederversammlung der BAGSO verabschiedet.
Wie wird Ihre Partei verhindern, dass immer mehr ältere Menschen auf soziale Transferleistungen angewiesen sind? Was werden Sie unternehmen, damit ältere Menschen diese Ansprüche leichter geltend machen können? Welche Maßnahmen planen Sie, um Menschen mit geringem Einkommen gesellschaftliche Teilhabe zu erleichtern?
Die BAGSO fordert:
- die Sozialsysteme armutsfest zu machen, insbesondere die Pflegeversicherung als Vollversicherung auszugestalten und eine Pflegezeit analog zur Elternzeit als Lohnersatzleistung einzuführen, denn Pflegebedürftigkeit zählt aktuell zu den größten Armutsrisiken im Alter.
- weitere Verbesserungen bei Erwerbsminderungsrenten.
- den Ausbau des Rentenfreibetrags bei der Grundsicherung, insbesondere eine Verkürzung der Grundrentenzeiten von derzeit 33 Jahren, und eine Anhebung des Schonvermögens in der Grundsicherung im Alter.
- die Wiedereinführung eines – nach Altersgruppen gestaffelten – Mehrbedarfszuschlags, wie er im alten Bundessozialhilfegesetz verankert war. Die Notwendigkeit ergibt sich aus den steigenden Bedarfen im Alter, insbesondere für Ausgaben im Gesundheits- und Hilfsmittelbereich, die nicht durch das Sozialversicherungsrecht gedeckt sind.
- offensichtlich bestehende Hürden zu beseitigen, die ältere Menschen davon abhalten, ihren Anspruch auf Grundsicherung im Alter oder Wohngeld geltend zu
machen. Dazu sind wohnortnahe Anlaufstellen einzurichten, die im Sinne eines Case Managements umfassend beraten und unterstützen. - dass nicht nur Bezieherinnen und Beziehern von Grundsicherung eine kostenfreie Schuldnerberatung angeboten wird, sondern allen Menschen, die sich verschuldet haben.
- dass ältere Menschen vor Ort Angebote der Beratung, der Begegnung und des Engagements vorfinden, damit sie auch bei geringem Einkommen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können und nicht vereinsamen. Wichtig sind hierbei insbesondere zugehende Beratungsangebote.
Wird sich Ihre Partei für eine Erweiterung von Artikel 3 Grundgesetz um das Merkmal „Lebensalter“ einsetzen? Unterstützen Sie eine UN-Altenrechtskonvention, um die Rechte älterer Menschen weltweit zu stärken? Wie sorgen Sie dafür, eine Diskriminierung älterer Menschen durch Künstliche Intelligenz zu verhindern?
Die BAGSO fordert:
- die Erweiterung von Artikel 3 Grundgesetz um das Merkmal „Lebensalter“, um Diskriminierung aufgrund des Alters ausdrücklich zu verbieten und einen umfassenderen Gleichbehandlungsschutz in der Verfassung zu verankern.
- die Aufhebung von Höchstaltersgrenzen für die Übernahme von Ämtern und Mandaten (z.B. bei der Schöffentätigkeit). Die Zulassung muss nach altersunabhängigen Kriterien erfolgen.
- eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), mit der u. a. die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf Massengeschäfte aufgehoben wird und Versicherungsunternehmen verpflichtet werden, bei Tarifen, die nach Lebensalter gestaffelt sind, ihre Risikokalkulationen offenzulegen.
- den Einsatz für die Horizontale Gleichbehandlungsrichtlinie der Europäischen Union, um Lücken im rechtlichen Schutz gegen Diskriminierung zu schließen und eine einheitliche, umfassende Antidiskriminierungspolitik sicherzustellen.
- den Einsatz für eine UN-Altenrechtskonvention, um die Menschenrechte Älterer weltweit besser zu schützen und ihre Rechte auf globaler Ebene sichtbar zu machen. Sie könnte als Richtschnur für die nationale Gesetzgebung dienen und würde Diskriminierung aufgrund des Lebensalters eindeutig verbieten.
- die Berücksichtigung der Interessen und Grundrechte älterer Menschen bei der Nutzung Künstlicher Intelligenz, u. a. durch mehr Transparenz, Prüfmechanismen, Bildungsangebote und Einbeziehung Älterer in die Entwicklung.
- einen konsequenten Einsatz für differenzierte Altersbilder in unserer Gesellschaft.
Mit welchen konkreten Maßnahmen wird Ihre Partei verhindern, dass Menschen, die das Internet nicht nutzen, von der Teilhabe am öffentlichen Leben ausgeschlossen werden? Wie wird sich Ihre Partei für einen Ausbau digitaler Lern- und Erfahrungsorte einsetzen?
Die BAGSO fordert:
- alle öffentlichen Dienstleistungen auch analog anzubieten, damit auch Bürgerinnen und Bürger, die nicht über die erforderliche digitale Technik verfügen, sie nutzen können. Dies betrifft neben der öffentlichen Verwaltung insbesondere öffentliche Verkehrsmittel, das Finanzwesen, die Gesundheitssysteme u.v.m.
- ältere Menschen bei der Planung und Erprobung digitaler Dienstleistungen einzubinden und digitale Anwendungen nutzerfreundlicher zu gestalten. Dies betrifft insbesondere die Handhabung, die verständlich sein muss, und Benutzeroberflächen, die vergleichbar und beständig sein sollten.
- die Finanzierung einer digitalen Mindestausstattung als Bedarf in der Grundsicherung festzuschreiben.
- in jeder Kommune öffentlich zugängliche, wohnortnahe Lernorte bereitzustellen, die digitale Kompetenzen vermitteln und individuelle und verlässliche Beratung
anbieten (z.B. im Rahmen des DigitalPakt Alter). Die Lernorte müssen über eine digitale Grundausstattung verfügen und nachhaltig gefördert werden.
Wie wird Ihre Partei die Länder dabei unterstützen, in den Kommunen strukturelle Mindeststandards für die Altenhilfe nach § 71 SGB XII (insbesondere Beratung, Begegnung und Engagementförderung) zur Schaffung lebendiger Sozialräume diversitätssensibel auszubauen?
Die BAGSO fordert:
- eine Initiative der Bundesregierung, die die Länder und Kommunen ermutigt, sich für eine Konkretisierung und Umsetzung von § 71 SGB XII einzusetzen, z.B. durch ein Bundesmodellprogramm, das vorbildliche Maßnahmen fördert, die eine diversitätssensible Altenarbeit mit einem verbindlichen Angebot an Beratung, Begegnung und Engagementförderung vor Ort gewährleisten.
- eine auf Dauer angelegte Qualitätsentwicklung und Sicherstellung von Mindeststandards in der Altenhilfe, mittelfristig durch Schaffung einer Einrichtung analog zur Bundesstiftung Frühe Hilfen. Für die Qualitätsentwicklung ist eine kommunale Altenhilfeplanung unabdingbar.
- die Einrichtung einer nationalen Koordinierungsstelle für Kommunen, begleitend zum „Age-Friendly City and Community“- Programm der Weltgesundheitsorganisation.
Mit welchen konkreten Maßnahmen wird sich Ihre Partei für einen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus einsetzen? Wie stellen Sie sicher, dass Modernisierungen für Wohneigentümer und Mieter bezahlbar bleiben? Mit welchen Maßnahmen wollen Sie ältere Menschen vor den Folgen des Klimawandels schützen?
Die BAGSO fordert:
- einen massiven Ausbau des öffentlich geförderten Wohnungsbaus.
- weitere Maßnahmen zur Regulierung des überhitzten Wohnungsmarkts, um zu verhindern, dass ein immer größerer Teil des Einkommens für Wohnen benötigt wird.
- Unterstützungsmaßnahmen, um die finanziellen Auswirkungen von Modernisierungsauflagen bei Bedarf abzufedern.
- die Leistungen in den Bereichen Wohngeld (für Mieter) und Lastenzuschuss (für selbstnutzende Wohneigentümer) kontinuierlich an die Kostenentwicklung anzupassen.
- Investitionen in nachhaltige, familienphasen- und alternsgerechte Neubauten und in entsprechende Sanierungen von bestehenden Gebäuden.
- bundesweite Maßnahmen, um Ältere vor Hitze zu schützen, und eine konsequente Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030.
Wie wird Ihre Partei eine umfassende Barrierefreiheit im öffentlichen Raum, z. B. in Gesundheitseinrichtungen, im Einzelhandel und bei Mobilitätsangeboten, aber auch bei Wohnungen und technischen Geräten sicherstellen? Wie werden Sie Länder und Kommunen dabei unterstützen, Mobilität in ländlichen Räumen zu gewährleisten?
Die BAGSO fordert:
- öffentliche und private Anbieterinnen und Anbieter von Dienstleistungen und Waren zu verpflichten, Maßnahmen zur Barrierefreiheit umzusetzen.
- das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz dahingehend zu ergänzen, dass Unternehmen sicherstellen müssen, dass Haushaltsgeräte nach dem Mehr-Sinne-Prinzip bedienbar sind, dass also bei der Gerätenutzung mindestens zwei der drei Sinne Hören, Sehen, Tasten angesprochen werden. Auch die UN-Behindertenrechtskonvention verlangt bei Produkten und Dienstleistungen ein „Design für alle“ als Standard.
- das KfW-Zuschussprogramm „Altersgerecht Umbauen“, das zuletzt 150 Millionen Euro umfasste, fortzuführen und aufzustocken, da es einen wichtigen Beitrag leistet, um Wohnraum barrierefrei umzubauen.
Wie will Ihre Partei eine bedarfsgerechte gesundheitliche und pflegerische Versorgung in Stadt und Land sicherstellen? Wie werden Sie gewährleisten, dass Sorge und Pflege für die Betroffenen wieder bezahlbar wird? Treten Sie dafür ein, eine Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige einzuführen?
Die BAGSO fordert:
- eine flächendeckende medizinische Versorgung sicherzustellen und insbesondere die geriatrische Versorgung zu stärken und weiterzuentwickeln. Mit Blick auf die geriatrische Versorgung muss die Krankenhausreform dringend gesetzlich nachjustiert werden.
- eine Gesamtreform der Pflegeversicherung, die den Kommunen eine umfassende Steuerungs- und Gestaltungsverantwortung für die Pflege zuweist. Diese Pflichtaufgabe muss gesetzlich verankert und auskömmlich finanziert werden.
- den Ausbau der Pflegeversicherung zu einer Vollversicherung, mindestens aber eine merkliche Begrenzung der Eigenanteile, z.B. durch den sogenannten Sockel-Spitze-Tausch. Kurzfristig fordert die BAGSO u.a., die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen herauszunehmen, versicherungsfremde Leistungen wie die Rentenbeiträge von pflegenden Angehörigen aus Steuermitteln zu bezahlen, die medizinische Behandlungspflege in stationären Einrichtungen vollständig durch die Krankenkassen zu finanzieren und dass die Bundesländer die Investitionskosten tragen.
- die Einführung einer Familienpflegezeit und eines Familienpflegegelds (Lohnersatzleistung) für pflegende Angehörige gemäß der Empfehlungen des unabhängigen Beirats der Bundesregierung für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf.
Wie wird Ihre Partei das Engagement und die Mitwirkung und Partizipation Älterer stärken? Wie werden Sie das Engagement älterer Menschen insbesondere in strukturschwachen Räumen und von bislang unterrepräsentierten Gruppen fördern?
Die BAGSO fordert:
- Gesetzesvorhaben zur Demokratieförderung (z.B. ein Demokratiefördergesetz) zu verabschieden und den wichtigen Beitrag von Engagement und Ehrenamt herauszustellen.
- Maßnahmen zu fördern, z.B. im Rahmen von Bundesmodellprogrammen, die darauf abzielen, Zugänge für diejenigen Älteren zu schaffen, die bislang beim Engagement unterrepräsentiert sind, das Engagement älterer Menschen in strukturschwachen Regionen zu unterstützen, die politische Bildung im Alter und die Gestaltung des Übergangs in die nachberufliche Phase zu stärken und die geburtenstarken Jahrgänge (Babyboomer) anzusprechen.
- eine gesetzliche Initiative, um engagementfördernde Einrichtungen wie Seniorenbüros, Freiwilligenagenturen und Mehrgenerationenhäuser flächendeckend auszubauen und verlässlich abzusichern, insbesondere in strukturschwachen und ländlichen Regionen – in Abstimmung mit Ländern und Kommunen.
das Zuwendungsrecht zu reformieren und Zuwendungsrichtlinien zu vereinfachen, z.B. durch eine unbürokratische Antragstellung, die Anerkennung des zivilgesellschaftlichen Engagements als Eigenmittel oder Ermöglichung von Pauschalzuwendungen bei geringer Förderung.